Personalausweis: EU muss Abgabe von Fingerabdrücken erneut regeln

Dass EU-Bürger:innen für ihren Personalausweis Fingerabdrücke abgeben müssen, ist laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs rechtmäßig. Aber die EU hat einen Fehler im Gesetzgebungsprozess gemacht. Deshalb muss sie nun dennoch nachbessern.

Dieser Fingerabdruck ist generiert und gehört zu keinem echten Menschen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute einen deutschen Fall entschieden, der die verpflichtende Abgabe zweier Fingerabdrücke für den Personalausweis betrifft. Diese Verpflichtung „ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar“, schreibt der EuGH in seiner Pressemitteilung.

Geklagt hatte der Bürgerrechtler Detlev Sieber, ehemaliger Geschäftsführer bei digitalcourage. Die Fingerabdruckpflicht sei ungerechtfertigt, fand Sieber. Es sei nicht notwendig, die Biometriedaten in den Ausweis aufzunehmen. Es fühle sich an, als sei man nicht Bürger, sondern „Tatverdächtiger“. Sieber verlangte daher auf dem Amt einen Ausweis ohne biometrische Vermessung. Das wurde ihm verwehrt, woraufhin er vor Gericht zog. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden wiederum legte den Fall dem EuGH vor.

Nach einer Anhörung, die vor einem Jahr stattfand, war die Generalanwältin beim EuGH der Argumentation von Sieber nicht gefolgt: Sie hatte in ihrer Stellungnahme im Jahr 2023 den Zwang zum Fingerabdruck im Ausweis als zulässig angesehen. Das heutige Urteil bestätigt diese Sichtweise.

Vorderseite des deutschen Personalausweises in der ab 2. August 2021 ausgegebenen Fassung.
Vorderseite des deutschen Personalausweises in der ab 2. August 2021 ausgegebenen Fassung.

Fingerabdrücke sind verhältnismäßig

Das Urteil wirkt sich auf die gesamte EU aus. Seit einer Verordnung aus dem Jahr 2019 sollen in allen EU-Staaten Fingerabdrücke und biometrische Gesichtsbilder auf einem Chip im Personalausweis gespeichert werden. Daher hat der EuGH auch die Gültigkeit der Unionsverordnung geprüft. Die Fingerabdruckpflicht schränke zwar die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten ein, sei aber in diesem Fall dennoch gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Die Pflicht sei durch die Ziele gerechtfertigt, „die Herstellung gefälschter Personalausweise und den Identitätsdiebstahl zu bekämpfen sowie die Interoperabilität der Überprüfungssysteme zu gewährleisten“, so das Gericht. Dennoch muss die EU nun nachbessern, denn sie hat die Verordnung auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt. Es braucht eine neue Verordnung und dafür eine Einstimmigkeit im Rat, so der EuGH.

EU muss nachbessern

Damit ist die zugrundeliegende EU-Verordnung ungültig. Sie wird jedoch nicht sofort nichtig, denn das könnte „schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben“. Sie bleibt daher bis Ende 2026 wirksam, bis dahin muss nachgebessert werden.

Der Deutsche Bundestag beschloss die Speicherpflicht für Fingerabdrücke in Ausweisen im Jahr 2020. Seit August 2021 müssen alle Deutschen zwei Fingerabdrücke hinterlassen, wenn sie einen Personalausweis beantragen, meist von beiden Zeigefingern.

Gewöhnung an Biometriedatenabgabe

Bei der zwangsweisen Abgabe der Fingerabdrücke für die Reisepässe hatte der EuGH vor mehr als zehn Jahren entschieden, dass die Verpflichtung zur Körperdatenspeicherung mit EU-Recht vereinbar sei. Mittlerweile ist eine Gewöhnung eingetreten, dass für Ausweis und Pass eine biometrische Vermessung und Speicherung normal sei – selbst bei Kindern. Der deutsche Personalausweis als innerstaatliches Dokument verbindet die Fingerabdruckabgabe – anders als beim Pass – auch noch mit einer 90-tägigen Speicherung der Biometriedaten bei den zuständigen Behörden.

Der Rechtsanwalt des Klägers, Wilhelm Achelpöhler, hatte argumentiert, dass die Fingerabdrücke ihren angegebenen Zweck nicht erfüllen würden. Die angebliche sicherheitspolitische Notwendigkeit der biometrischen Datenpflicht sei nicht belegt. Die Fingerabdrücke seien daher ein „untaugliches Instrument“. Dass die Biometriedaten nach der Ausweiserstellung für die Dauer von 90 Tagen gespeichert werden dürfen und für andere Zwecke missbraucht werden könnten, sei nicht akzeptabel. Denn die Fingerabdrücke können in dieser Zeit beispielsweise Behörden zur Verfügung gestellt werden.

Der EuGH widerspricht dieser Argumentation. Ein Gesichtsfoto allein wäre weniger wirksam als die zwei Fingerabdrücke. „Alterung, Lebensweise, Erkrankung oder ein chirurgischer Eingriff können nämlich die anatomischen Merkmale des Gesichts verändern“, so das Gericht.

Nach dem Urteil des EuGH geht der konkrete Fall aus Deutschland wieder zurück an das Verwaltungsgericht Wiesbaden.


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