Wladimir Putin im Interview: Russland plant nicht den Westen zu spalten – das schafft dieser selbst

Von REDAKTION | Der russische Präsident Wladimir Putin gewährte zuletzt Dmitri Kisseljow, Generaldirektor des staatlichen russischen Medienunternehmens und Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja, im Kreml ein ausführliches Interview. Das Gespräch erstreckte sich über mehr als eineinhalb Stunden und berührte viele hochaktuelle Themen, welche heute die Welt bewegen.

UNSER-MITTELEUROPA bringt heute den dritten und letzten Teil dieses Gesprächs als Transkript in deutscher Übersetzung:

Letzter Teil 3: Die «Goldene Milliarde» muss erkennen, dass der «Tanz der Vampire» zu seinem Ende kommt

Dmitri Kisseljow: Gut.

Wenn wir von der Einmischung und den Kämpfen im Vorfeld der Wahlen absehen, geht die Eskalation vielmehr weiter. Es scheint, dass beide Supermächte – Russland und die Vereinigten Staaten – das spielen, was man in Amerika Hasenfußspiel nennt: Es ist ein Spiel, bei dem sich die beiden Gegenüber gegenseitig an den Hals gehen und auch dort ist es ein Spiel, bei dem zwei Jungs in Autos aufeinander zu rasen, um es darauf ankommen zu lassen, wer als erster nachgibt und ausweicht. Es sieht so aus, als würde niemand als Erster ausweichen wollen: Ein Zusammenstoß scheint unvermeidlich?

Wladimir Putin: Warum? Die Vereinigten Staaten haben angekündigt, dass sie keine Truppen entsenden werden. Wir wissen, was amerikanische Truppen auf russischem Gebiet darstellten: Sie wären Interventionisten. Wir würden entsprechend reagieren, selbst wenn sie auf ukrainischem Territorium auftauchten, das verstehen sie. Ich sage, dass Biden ein Vertreter der traditionellen politischen Schule ist, das ist bestätigt. Aber neben Biden gibt es noch genügend andere Spezialisten auf dem Gebiet der russisch-amerikanischen Beziehungen und der strategischen Abschreckung.

Ich glaube also nicht, dass alles frontal aufeinander zusteuert. Aber wir sind darauf vorbereitet. Ich habe schon oft gesagt, dass es für uns um Leben und Tod geht, während es für sie darum geht, ihre taktische Position in der Welt im Allgemeinen, aber auch in Europa im Besonderen zu verbessern und ihren Status bei ihren Verbündeten zu halten. Das ist auch wichtig, aber für uns weniger wichtig.

Dmitri Kisseljow: Interessant, Sie haben gesagt, dass wir darauf vorbereitet sind. Der Philosoph Alexander Dugin, ein Spezialist für Geopolitik, fordert eine direkte und praktische Vorbereitung auf einen Atomkrieg. «Und je besser wir darauf vorbereitet sind, desto unwahrscheinlicher wäre ein solcher Krieg”», erklärt Alexander Dugin. Wie können wir überhaupt so etwas vorbereitet sein? Sind wir wirklich für einen Atomkrieg bereit?

Wladimir Putin: Vom militärischen und technischen Standpunkt aus sind wir natürlich bereit. Wir haben sie in einem ständigen Zustand der Gefechtsbereitschaft. Das ist der erste Punkt.

Zweitens: Es ist eine allgemein anerkannte Sache, dass unsere nukleare Triade moderner als jede andere Triade ist. Eigentlich haben nur wir und die Amerikaner eine solche Triade.

Wir haben hier viel größere Fortschritte gemacht: Wir haben eine modernere nukleare Komponente. Im Großen und Ganzen sind wir ungefähr gleichauf, was die Trägersysteme und die Sprengkraft angeht, aber unsere Systeme sind moderner.

Jeder weiß das – alle Experten wissen das. Das heißt aber nicht, dass wir uns an der Zahl der Träger und Sprengköpfe messen sollten, aber wir sollten das wissen. Und diejenigen, die es wissen müssen, ich wiederhole, die Experten, die Fachleute und die Militärs, diese wissen es sehr genau!

Sie haben sich die Aufgabe gestellt in Bezug auf Modernisierung und Neuartigkeit nachzuziehen und verfolgen entsprechende Pläne. Auch das wissen wir. Sie entwickeln alle ihre Komponenten und so tun wir das. Meiner Meinung nach heißt das aber nicht, dass sie bereit sind, morgen diesen Atomkrieg zu entfesseln. Wenn sie es jedoch wollen, was können wir machen? Doch, wir sind bereit!

Dmitri Kisseljow: Vielleicht könnten wir zur Steigerung unserer Glaubwürdigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt Atomtests durchführen. Schließlich existieren hierzu für uns keine internationalen Beschränkungen.

Wladimir Putin: Es gibt einen Vertrag, der solche Tests verbietet, aber leider haben die Vereinigten Staaten diesen Vertrag nicht ratifiziert. Deshalb haben wir die Ratifizierung zurückgezogen, um Parität zu wahren. Da der Vertrag von den Vereinigten Staaten nicht ratifiziert wurde, ist er final nicht in Kraft getreten, weil er nicht die erforderliche Anzahl von Ratifizierungen erhalten hat, doch wir halten uns dennoch an diese Vereinbarungen.

Wir wissen, dass die Vereinigten Staaten solche Tests in Erwägung ziehen. Wenn neue Sprengköpfe auftauchen, sind einige Experten der Meinung, dass es nicht ausreiche, sie nur über Computer zu testen, sondern sie auch praktisch Tests zu unterziehen. Solche Ideen kursieren in bestimmten Kreisen in den Vereinigten Staaten und finden ihre Abnehmer – wir wissen das.

Wir schauen uns das auch an: Sollten sie solche Tests durchführen, schließe ich nicht aus – zwar nicht zwingend, ob wir das brauchen oder nicht – darüber müssen wir noch nachdenken, aber es ist möglich, dass wir das auch tun könnten.

Dmitri Kisseljow: Aber sind wir technisch dazu bereit?

Wladimir Putin: Ja, wir sind immer bereit. Ich möchte klarstellen, dass es sich nicht um konventionelle Waffen handelt, sondern um eine Art von Streitkräften, die sich in ständiger Gefechtsbereitschaft befindet.

Dmitri Kisseljow: Wladimir Wladimirowitsch, haben Sie in den schwierigen Momenten, ich weiß nicht, im letzten Jahr an der Front im Zusammenhang mit Charkiw oder Cherson, an die Anwendung taktischer Atomwaffen gedacht?

Wladimir Putin: Warum? Wir haben auf Vorschlag des damaligen Kommandos jenes Frontabschnitts beschlossen, die Truppen aus Cherson abzuziehen. Das bedeutete aber nicht, dass unsere Front dort zusammengebrochen wäre. Es gab nichts dergleichen und auch nichts, was nur annähernd danach aussah. Die Truppenverlagerung wurde nur getan, um keine unnötigen Verluste beim Personal hinzunehmen. Das ist alles. Das war das Hauptmotiv, denn unter den Bedingungen der Kampfhandlungen, als es unmöglich wurde, die am rechten Ufer befindliche Gruppierung vollständig zu versorgen, hätten wir unnötige Verluste an Personal in Kauf nehmen müssen. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Gruppe auf das linke Ufer zurückzuziehen.

Die Richtigkeit dieser Entscheidung wurde durch das bestätigt, was das ukrainische Kommando auf einigen Teilen des linken Ufers , in derselben Siedlung Krynki, versuchte: Sie warfen ihre Leute einfach in einen Fleischwolf hinein: Das war’s. Sie sind dort in letzter Zeit – im wahrsten Sinne des Wortes – barfuß herumgelaufen. Sie versuchten dann, ihre Truppen über Schnellboote und Drohnen mit Munition zu versorgen. Es bedeutete: Sie wurden nur zum Abschlachten in ein Gemetzel geschickt.

Ich habe einmal den Generalstabschef – das ist kein Geheimnis – gefragt: «Wer von der anderen Seite trifft solche Entscheidungen? Ist dem verantwortlichen Befehlshaber bewusst, dass er die Soldaten in den sicheren Tod schickt?» Er antwortete: «Sie wissen es.» Ich fragte nach: «Wer fällt diese Entscheidung. Warum tun sie es? Das macht keinen Sinn.» – Der Generalstabschef bestätigte: «Aus militärischer Sicht macht es keinen Sinn.» Ich wollte wissen: «Und aus welchem Sichtwinkel dann?” – Er antwortet: «Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sieht die obere politische Führung , basierend auf politischen Erwägungen die Chance, zusätzliches Geld zu lukrieren, um unsere Verteidigung zu durchbrechen und ein Brückenkopf auf dem linken Ufer würde dabei helfen, ihre Position bei internationalen Treffen entsprechend schön darstellen zu lassen.» Ein solcher Befehl wird erlassen und alle unteren Ränge leiten das automatisch weiter.

Übrigens, die Soldaten, die sich dort ergeben hatten und die wir gefangen nahmen, sagten aus, dass sie sich ihrer Lage gar nicht bewusst gewesen wären. Neuen Einheiten, die dort hineingeworfen wurden, teilte man nur mit: «Dort ist eine stabile Stellung – helft und macht einfacher weiter!» Doch, sie konnten nicht einmal bis zum linken Ufer vordringen.

Dmitri Kisseljow: Eine Tragödie.

Wladimir Putin: Natürlich – vom menschlichen Standpunkt aus gesehen, absolut!

Warum also sollten wir Massenvernichtungsmittel einsetzen? Die Notwendigkeit dafür hat sich nie gestellt.

Dmitri Kisseljow: Ein solcher Gedanke ist Ihnen also nie gekommen?

Wladimir Putin: Nein. Warum sollte er? Waffen sind da, um eingesetzt zu werden. Wir haben unsere eigenen Prinzipien. Was sagen sie aus: Dass wir bereit sind, Waffen einzusetzen und zwar alle Waffen, auch die von Ihnen genannten, wenn es um die Existenz des russischen Staates oder um die Beeinträchtigung unserer Souveränität und Unabhängigkeit ginge. Wir haben alles in unserer Strategie festgelegt. Wir haben sie nicht geändert.

Dmitri Kisseljow: Wladimir Wladimirowitsch, als der scheidende Präsident Jelzin Ihnen vorschlug, für das Präsidentenamt zu kandidieren, war Ihre erste Reaktion: «Ich bin nicht bereit!»

Wladimir Putin: Genau das und in direkter Rede.

Dmitri Kisseljow: Seitdem haben Sie natürlich eine sehr große Entwicklung durchgemacht: Wenn Sie heute ein Telegramm an sich selbst damals hätten schreiben könne, welchen Text hätten Sie dafür gewählt?

Wladimir Putin: Sehen Sie, das wäre wie, «Ein Yankee am Hofe des König Artus» oder so ähnlich.

Es scheint unmöglich, diese Frage zu beantworten: Denn, die Frage wurde in dem historischen und wirtschaftlichen Kontext gestellt, in dem sich das Land damals – in der innenpolitischen Situation in Bezug auf die innere Sicherheit – befand. Und all das zusammen hat mich zur Antwort bewogen, die ich äusserte: «Ich bin dazu nicht bereit.» Nicht, weil ich Angst vor irgendetwas hatte, sondern weil das Ausmaß der Aufgaben riesig war und die Zahl der Probleme jeden Tag gleich einem Schneeball anwuchs. Deshalb habe ich es aufrichtig gemeint, nicht weil ich Angst vor etwas hatte, sondern weil ich dachte, nicht bereit gewesen zu sein, all diese Probleme zu lösen. Gott bewahre, ich hätte es noch schlimmer gemacht. Darum ging es mir damals. So, habe ich es ganz aufrichtig gesagt und würde es unter gleichen Umständen wiederholen.

Dmitri Kisseljow: Und was hat den Ausschlag gegeben? Sie haben es angenommen.

Wladimir Putin: Wahrscheinlich meine Gespräche mit Boris Nikolajewitsch .

Am wichtigsten war, dass er mir am Ende sagte: «Ok, ich verstehe, wir kommen darauf noch zurück!»: Und wir kamen mehrere Male darauf zurück.

Am Ende sagte er, ich wär ein erfahrener Mann und er wisse zu schätzen, was ich tue und zu bieten hätte. Er sagte mir noch einige andere Dinge: Es scheint mir unpassend, mich selbst zu loben, aber er sagte solch positive Worte. Später hat er es noch einmal auf eine sehr positive Art und Weise bekräftigt und ich möchte jetzt darüber nicht weiter sprechen.

Doch, nachdem die Arbeit einmal begonnen hat, stellte es sich ganz anders heraus. Wie Sie wissen, sobald man sich an die Arbeit macht, denkt man: Das und das brauche man jetzt und das morgen. So geht es immer weiter. Wenn man sich in die Arbeit vertieft, ist das eine ganz andere Geschichte.

Dmitri Kisseljow: Es fehlt die Zeit, um besorgt zu sein.

Wladimir Putin: Es geht nicht um Befürchtungen, es geht um das Verständnis, die Probleme lösen zu können. Sie erinnern sich daran, wie es im Jahr 1999 um die Wirtschaft, Sicherheit oder unser Finanzwesen bestellt war.

Dmitri Kisseljow: Sie haben mir einmal gesagt, dass Ihre Vorbereitung für die Aufnahme zum Studium an der Leningrader Universität für Sie einen Wendepunkt darstellte. Es war eine Zeit, in der Sie alles auf eine Karte setzen mussten: Sie erkannten, dass Sie zur Realisierung Ihrer Pläne –  Sie waren damals schon beim KGB – die Aufnahme zu schaffen hatten ansonsten verloren hätten bzw. alles anders gekommen und jene Chance vertan worden wäre. Ist Russland jetzt auch in eine solche Situation gelangt, in der es notwendig wird, alles auf eine Karte zu setzen?

Wladimir Putin: Erstens, war ich damals nicht in einer solchen Lage. Ja, ich wollte in den staatlichen Sicherheitsdiensten arbeiten…

Dmitri Kisseljow: … die Aufnahme war ein solcher Wendepunkt: Dieses Gefühl, nicht wahr? Entweder das oder das?

Wladimir Putin: Nicht ganz: Ich kam einfach in das Aufnahmezentrum und sagte: «Ich würde gerne arbeiten. Was brauchen Sie dafür?»

Die Alternativen waren einfach, man sagte mir, dass ich entweder ein Hochschulstudium, am besten ein Jurastudium, zu absolvieren oder in der Armee zu dienen hätte oder mindestens drei Jahre Berufserfahrung benötigte. Am besten wäre in der Armee zu dienen. Hätte ich kein Studium aufgenommen, wäre ich zur Armee gegangen.

Ja, es wäre vielleicht ein längerer Weg zum Ziel gewesen, als der, den ich mir gesetzt hatte, aber es wäre immer noch gegangen. Es gibt immer eine Alternative.

Dmitri Kisseljow: Aber Sie standen unter Druck.

Wladimir Putin: Ja, natürlich, denn ich hatte erst an einer Schule mit einer chemischen und mathematischen Ausrichtung studiert, aber hier musste ich geisteswissenschaftliche Fächer belegen. Ich musste ein Fach aufgeben und andere aufnehmen.

Ja, natürlich gab es Druck: Ich musste selbstständig eine Fremdsprache erlernen, in diesem Fall Deutsch, sowie Geschichte, Literatur und so weiter studieren.

Dmitri Kisseljow: Russland befindet sich derzeit auch an einem Scheideweg: Entweder es gelingt oder…

Wladimir Putin: Russland befindet sich nicht an einem Scheideweg. Es befindet sich auf dem strategischen Weg seiner Entwicklung und wird von diesem Weg nicht abweichen.

Dmitri Kisseljow: Inwieweit fühlen Sie sich von der russischen Gesellschaft mit ihrem neuen Selbstverständnis unterstützt? Schließlich hat sich eine neue Qualität der russischen Gesellschaft herausgebildet.

Wladimir Putin: Es war einfach da und hat sich manifestiert. Und es ist sehr gut, dass wir dieser unergründlichen russischen Gesellschaft die Möglichkeit gegeben haben, sich auszudrücken. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen schon lange darauf gewartet hatten, dass ein einfacher Bürger vom Land und Staat gefragt ist und das Schicksal des Landes von ihm abhängt. Dieses Gefühl der inneren Verbundenheit mit dem Mutterland, mit dem Vaterland und seiner Bedeutung für die Lösung von Schlüsselproblemen, in diesem Fall im Bereich der Sicherheit, hat die Stärke des russischen und anderer Völker Russlands an die Oberfläche gebracht hat.

Dmitri Kisseljow: Fühlen Sie sich davon angesprochen?

Wladimir Putin: Immer. Der springende Punkt ist, dass nicht einer davon zehrt, sondern dass ich die Forderungen der Gesellschaft sehe. Das ist das Wichtigste – die Anforderungen der Gesellschaft zu erfüllen.

Dmitri Kisseljow: Aber es ist an der Zeit anzuerkennen, dass Sie nicht nur in Russland, sondern auch in der Welt eine Schlüsselrolle spielen, denn Milliarden von Menschen verbinden mit Ihnen die Hoffnung auf internationale Gerechtigkeit, auf die Verteidigung der Menschenwürde, auf den Schutz der traditionellen Werte. Wie fühlt es sich an, diese große Verantwortung zu schultern?

Wladimir Putin: Um die Wahrheit zu sagen, fühle ich mich überhaupt nicht so. Ich arbeite einfach im Interesse Russlands, im Interesse unseres Volkes. Ja, ich verstehe, was Sie sagen und ich bin bereit, dazu Stellung zu nehmen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich eine Art Herr über die Geschicke der Welt bin. Glauben Sie mir, nicht einmal annähernd. Ich erfülle lediglich meine Pflicht gegenüber Russland und unserem Volk, das Russland als sein Heimatland betrachtet.

Was die anderen Länder der Welt angeht, so hängt das sehr eng damit zusammen, wie wir in der Welt behandelt werden. Das ist sehr interessant. Es ist ein Phänomen, da bin ich mir sicher.

Worauf ich aufmerksam machen möchte. Sie haben völlig Recht, viele Menschen in der Welt schauen auf uns, auf das, was in unserem Land und in unserem Kampf für unsere Interessen geschieht.

Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Warum ist das so? Nicht, weil wir formell Mitglied der BRICS sind oder traditionelle Beziehungen zu Afrika haben. Das ist auch wichtig, aber der Punkt ist meiner Meinung nach ein ganz anderer. Es geht darum, dass diese so genannte «Goldene Milliarde» andere Nationen seit Jahrhunderten, seit 500 Jahren, praktisch parasitär behandelt. Sie haben die bedauerlichen Völker Afrikas auseinandergerissen, sie haben Lateinamerika ausgebeutet, sie haben die Länder Asiens ausgebeutet und ganz sicher: Niemand hat das vergessen. Ich habe das Gefühl, dass es nicht einmal die Führung dieser Länder ist, obwohl das sehr wichtig ist, sondern die einfachen Bürger dieser Länder spüren in ihren Herzen, was geschieht.

Sie assoziieren unseren Kampf für ihre Unabhängigkeit und wahre Souveränität mit ihrer Sehnsucht nach eigener Souveränität und unabhängiger Entwicklung. Erschwerend kommt hinzu, dass der Wunsch, die bestehenden ungerechten Verhältnisse in internationalen Angelegenheiten einzufrieren, bei den westlichen Eliten sehr stark ausgeprägt ist. Sie sind es seit Jahrhunderten gewohnt, ihre Bäuche mit Menschenfleisch und ihre Taschen mit Geld vollzuschlagen. Aber sie müssen erkennen, dass der «Tanz Vampire» zu seinem Ende kommt.

Dmitri Kisseljow: Spielen Sie damit – wie Sie es in Ihrer Rede ausdrückten – auf deren kolonialistischen Tendenzen an? Das ist es, wovon Sie sprechen.

Wladimir Putin: So ist es!

Dmitri Kisseljow: Sie haben jetzt ein völlig angemessenes Bild gezeichnet, indem Menschen gewisse Hoffnung auf Russland setzen. Wie konnte es geschehen, dass die westliche Propaganda mit all ihrer Macht, ihren enormen Mitteln und Instrumenten nicht in der Lage war, Russland zu einzukreisen, zu isolieren und ein falsches Bild von ihm zu zeichnen, obgleich sie versuchten dies in die Köpfe von Milliarden an Menschen einzupflanzen? Wie konnte das geschehen?

Wladimir Putin: Weil das, was ich gerade gesagt habe, für die Menschen viel wichtiger ist. Die Menschen auf der ganzen Welt spüren es in ihren Herzen. Sie brauchen nicht einmal pragmatische Erklärungen für das, was passiert ist.

Dmitri Kisseljow: Also trotz des ganzen Drecks, der hier herrscht?

Wladimir Putin: Ja. In ihren eigenen Ländern täuschen sie die Menschen auch und das hat seine Wirkung. Sie – in vielen Ländern – glauben, dass dies in ihrem Interesse läge, weil sie ein großes Land wie Russland nicht an ihren Grenzen haben wollten. Das flächenmäßig größte Land der Welt, das bevölkerungsmäßig größte Land Europas – nicht so bevölkerungsreich in der Weltdimension, nicht vergleichbar mit China oder Indien, aber das größte in Europa – und jetzt auch noch die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Warum brauchen wir einen solchen Konkurrenten? Sie denken, dass es besser wäre, wie einige amerikanische Spezialisten vorschlugen, es in drei, vier, fünf Teile zu zerlegen – das würde für alle besser sein: Davon gehen sie aus.

Und zumindest einige der westlichen Eliten, die von ihrer Russophobie geblendet sind, haben sich gefreut, als sie uns auf Linie brachten, nachdem unsere Versuche begannen, den vom Westen seit 2014 entfesselten Krieg in der Ukraine mit Gewalt zu beenden und wir zu einer Speziellen-Militär-Operation übergingen. Sie haben sich gefreut – so glaube ich. Denn sie dachten, dass sie mit uns fertig werden könnten: Jetzt unter diesem Sperrfeuer von Sanktionen, praktisch einem Sanktionskrieg, der uns erklärt wurde, mit Hilfe westlicher Waffen und eines Krieges durch die Hände ukrainischer Nationalisten – das dies Russland fertig machen könnte. Folglich die Parole: «Russland eine strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zu bereiten».

Später dämmerte jedoch die Erkenntnis, dass dies unwahrscheinlich und noch später, dass es unmöglich wäre. Schließlich folgte die Einsicht, dass anstatt einer strategischen Niederlage, sie selbst mit Ohnmacht konfrontiert werden, obwohl sie sich auf die Macht der allmächtigen Vereinigten Staaten verlassen hatten. Sie waren machtlos gegenüber der Einheit des russischen Volkes, gegenüber den Grundlagen des russischen Finanz- und Wirtschaftssystems, seiner Nachhaltigkeit und gegenüber den wachsenden Fähigkeiten der Streitkräfte der Russischen Föderation.

Das war es, als sie zu denken anfingen – diejenigen, die klüger waren, begannen darüber nachzudenken, dass es notwendig wäre, die Strategie gegen die Russische Föderation zu ändern. So kam die Idee auf, den Verhandlungsprozess wieder aufzunehmen, Wege zur Beendigung dieses Konflikts zu finden und herauszufinden, wo die wahren Interessen Russlands lägen.

Das sind übrigens gefährliche Leute, denn Menschen, die sich von niedereren Prinzipien leiten lassen, sind leichter zu bekämpfen. Erinnern Sie sich noch, was man in Russland zum Glück über manche Menschen auf Straßen-Niveau zu sagen pflegte: Voller Bauch, betrunken und eine Tabaksnase. Es ist leichter, mit Leuten umzugehen, wenn sie satt und betrunken sind. «Tabaknase» hieß es, weil sie früher Schnupftabak nahmen. Jetzt ist die Nase voll mit Kokain. Das macht nichts, solange es sich mit solchen Leuten leichter umspringen lässt. Schon schwieriger wird es, mit den Klugen umzugehen – sie sind gefährlicher, denn sie beeinflussen das Bewusstsein der Gesellschaft, auch unseres: Sie werden alle möglichen Dinge aus ihrer «Wunschliste» unter dem Deckmantel von «Zuckerbrot» für uns hervorzaubern.

Sie haben bereits darauf aufmerksam gemacht, als Sie die Frage nach der Möglichkeit eines Verhandlungsprozesses stellten. Aber dennoch. Daraus ergeben sich die Widersprüche innerhalb der westlichen Gemeinschaft. Das ist eine offensichtliche Sache, wir sehen das.

Wir werden uns nicht darauf einlassen zu spalten – das werden sie glanzvoll selbst schaffen. Aber wir werden uns ganz sicher bemühen unsere Interessen zu wahren.

Dmitri Kisseljow: Ich kann nicht anders, als zu fragen: Diese Angriffe auf die Regionen Belgorod und Kursk sind militärische Aktionen, die in unseren Regionen stattfinden. Sie verhalten sich immer dreister – spüren die etwas? Was ist der Grund dafür?

Wladimir Putin: Die Erklärung ist sehr einfach. All dies geschieht vor dem Hintergrund des Scheiterns an der Kontaktlinie. Sie haben keines der Ziele, die sie sich im letzten Jahr steckten, erreicht. Hinzu kommt, dass die Initiative jetzt vollständig von unsere Streitkräfte übergegangen ist. Jeder weiß das – jeder kennt es. Ich glaube nicht, damit hier etwas Neues zu sagen. Vor dem Hintergrund dieser Misserfolge müssen sie wenigstens etwas vorweisen, um die Aufmerksamkeit vor allem auf die informationelle Seite zu richten.

An der Staatsgrenze versuchte der Feind, vor allem mit Sabotagetrupps anzugreifen. Der letzte Bericht des Generalstabs spricht von bis zu 300 Personen, darunter auch ausländische Söldner. Die Verluste des Feindes beliefen sich auf mehr als 200 Mann – etwa 230. Von den acht eingesetzten Panzern verlor der Feind sieben, von den neun gepanzerten Fahrzeugen neun, von denen sieben, die aus amerikanischer Produktion stammten. Andere gepanzerte Fahrzeuge wurden ebenfalls eingesetzt, aber hauptsächlich, um Personal heranzuschaffen: Sie bringen es heran, werfen es hinaus und fahren sofort wieder ab. Dies geschieht am Belgorod-Abschnitt der Grenze. Ein bisschen weiter südlich, ich glaube an einer Stelle – dort versuchen sie es mit viel kleineren Kräften. Aber das Hauptziel, daran habe ich keinen Zweifel, ist, wenn schon nicht die Präsidentschaftswahlen in Russland zu stören, so doch zumindest auf den normalen Prozess der Willensbekundung der Bürger irgendwie störend einzuwirken. Das ist ein Motiv.

Das zweite Motiv wäre der informationelle Effekt, den ich bereits erwähnt hatte.

Ein Drittes wäre etwas – eine Chance, ein Argument, einen Trumpf – für einen möglichen zukünftigen Verhandlungsprozess bzw. angestrebten Tauschhandel in die Hände zu bekommen.

Aber ich habe Ihnen gesagt, dass es einfacher ist, mit Leuten zu reden, die einfach gestrickt sind, nachdem sie sich satt gegessen, betrunken und die Nase in das bekannte Material gesteckt haben. Solche Leute lassen sich ausrechnen, um zu wissen, was sie tun werden. In einigen anderen Bereichen werden sie das Gleiche versuchen, aber das können wir abwarten.

Dmitri Kisseljow: Wir haben die Episode erwähnt, als Sie Ihre Kinder aus einem Feuer gerettet haben, aber Sie haben bereits Enkelkinder. Was für ein Land möchten Sie Ihren Enkelkindern hinterlassen?

Wladimir Putin: Wissen Sie, in der ersten Phase müssen wir alles erfüllen, was in der Rede vor der Föderalen Versammlung vor ein paar Tagen gesagt wurde. Wir haben große Pläne. Sie sind sehr konkret, was die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Entwicklung, die Unterstützung bei Mutterschaft und für Kinder, von Familien mit Kindern und die Unterstützung der Rentner betrifft. Wir sprechen in letzter Zeit sehr wenig oder gar nicht darüber, aber wir sorgen dafür, dass auch hier entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft die Indexierung der Renten mit verschiedenen Leistungen und die Langzeitpflege von Menschen, die sie benötigen.

Ich möchte sagen, dass wir es unter anderem den Menschen der älteren Generation zu verdanken haben, dass wir heute eine ausreichend starke, stabile Staatlichkeit und Wirtschaft haben. Denn trotz aller Wechselfälle und schwersten Prüfungen der Wirtschaft in den 90er Jahren hat sie dank der heroischen Arbeit nach dem Großen Vaterländischen Krieg und während des wirtschaftlichen Aufschwungs überlebt. Deshalb sollten wir das nie vergessen – die Verdienste der älteren Generation. Wir müssen immer daran denken und für ihr Wohlergehen sorgen. Die Zukunft liegt bei den Kindern, deshalb habe ich bereits über Programme im Bereich der Mutterschaft und Kinder gesprochen.

All dies geschieht nur auf der Grundlage der Wirtschaft. Ich erwarte, dass sie technologischer und moderner wird, auf der Grundlage moderner Errungenschaften in Wissenschaft und Technik, Informationstechnologie, künstlicher Intelligenz, Robotik, Genetik usw. Unsere Landwirtschaft entwickelt sich! Wir brauchen auch hier moderne Technologien. Sie werden bereits genutzt und werden auch weiterhin verstärkt eingesetzt werden.

Natürlich wird das Land zur Gewährleistung seiner Sicherheit und Verteidigung autark sein. Wir müssen das alles miteinander hoch multiplizieren und die Zukunft wird uns gewiss sein.

Dmitri Kisseljow: Vielen Dank, Wladimir Wladimirovich. Ihre Zuversicht ist ansteckend. Ich wünsche Ihnen Erfolg bei Ihren noblen Bestrebungen.

 Wladimir Putin: Ich danke Ihnen.

Dmitri Kisseljow: Ich danke Ihnen.

***

Übersetzung aus dem Russischen: Unser-Mitteleuropa

  • Teil 1: Putin im Interview: Russland wurde so viel versprochen und zu viele Vereinbarungen gebrochen – Hier
  • Teil 2: Putin im Interview: Staaten ohne «rote Linien» gegen Russland werden eine reziproke Behandlung erfahren – Hier

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